Kommentar
Die Unsichtbaren und die Unerwünschten

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Momentan wird in den Medien und den dazugehörigen Kommentarspalten eifrig über Teilzeitkräfte, Arbeitslose und armutsgefährdete Kinder diskutiert. Das mittlerweile berüchtigte Nehammer und Parteifreunde-Video lässt die Wogen hochgehen. “Leistung soll sich lohnen”, erzählt uns die Arbeitgeberpartei und lacht in scheinbar unbeobachteten Momenten bei fancy Fingerfood und teurem Wein über die dummen Arbeiterinnen und Arbeiter und all jene, die gerne Teil der Jobwelt wären.

Viele derjenigen, die sich glücklich schätzen können, schon seit Jahren einen relativ sicheren Arbeitsplatz zu haben, können sich leider oft nicht vorstellen, wie es ist, schon seit Jahren auf der Suche nach einem Job zu sein, aber nirgends hineinzupassen. Leider ist es mittlerweile fast schon Luxus einen Beruf zu haben, den man gerne macht, der den eigenen Qualifikationen entspricht und der einem auch noch ein bezahlbares Leben ermöglicht. Sollte man irgendwo im Leben einmal falsch abgebogen sein, wird das Überleben auf dem Arbeitsmarkt oft zum Spießrutenlauf. Was die Jobwelt angeht, kann diese Fehlentscheidung, neben wesentlich dramatischeren Ereignissen,  beispielsweise die für ein oder mehrere Kinder sein.

Persönlich wurde mir schon so oft in verschiedenen Formulierungen direkt und indirekt gesagt, dass meine Kinder beruflich ein Hindernis für mich darstellen, dass ich, hätte ich jedesmal einen Euro dafür bekommen, locker auf ein gemütliches Monatsgehalt kommen könnte.

Zu wenig Geld? Geh halt mehr arbeiten! - Arm? Hör halt auf damit!

Ja, es gibt Menschen, die sich auf Sozialleistungen ausruhen und die sich von einem Gelegenheitsjob zur nächsten vom AMS bezahlten Fortbildung weiter hangeln, damit sie durchgehend Arbeitslosengeld beziehen können. Um die geht es hier aber nicht. Mir geht es um Menschen, die sich um Altersarmut sorgen, weil sie nicht den Fuß in die Tür der Arbeitswelt bekommen und die dann noch überall gesagt bekommen, sie müssten sich eben mehr anstrengen. Gleichzeitig bekommt man von allen möglichen Ämtern und Anlaufstellen, von Zuständigen im Bewerbungsprozess ganz zu schweigen, immer wieder zu hören man sei über- oder unterqualifiziert, zu alt oder zu unerfahren, oder irgendeine andere Ausrede dafür, warum jemand anderes besser geeignet sei für die ausgeschriebene Stelle, nur um am selben Tag auf den bekannten online Jobbörsen die gleiche Ausschreibung neu hochgeladen zu sehen.

Lehrkräftemangel, so viele freie Stellen in Gastro und Pflege, gerne auch Quereinsteiger - aber bitte nicht du!

Ja, Leistung soll sich lohnen, aber nicht nur für den Chef, sondern auch für die Arbeitskräfte. Viele Menschen wollen Vollzeit arbeiten, bekommen aber nicht die Chance dazu. Einige Betriebe bieten wenige oder gar keine Vollzeitstellen an. Oft lohnt es sich finanziell nicht, die Vollzeitstelle zu nehmen, weil man nur etwas mehr verdient als in Teilzeit. Es wird ebenfalls gerne in Stellenangeboten darauf hingewiesen, dass auch Quereinsteiger genommen werden, aber, gleich wie der Verweis vieler Arbeitgeber auf die tolle Vereinbarkeit von Job und Familie, ist das oft leider nur ein Lippenbekenntnis.

Hast du als Frau kleine Kinder, will dich keiner, weil du ja dauernd ausfallen könntest. Hast du große Kinder, die schon aus dem Gröbsten raus sind und du warst bis dahin zu Hause, will dich keiner mehr, weil du zu lange draußen bist aus der Jobwelt. Vor allem Frauen wird vom AMS gerne eine Umschulung zur Heimhelferin angeboten. Als Mutter kümmert man sich ja ohnehin um alles, da kann man sich gleich noch um ein paar mehr Leute kümmern. Diese unfassbar wichtigen und fordernden Pflegeberufe werden dadurch aber nicht auf- sondern abgewertet. Egal was man davor gelernt oder studiert hat, ob man von der Persönlichkeit her dafür geeignet ist oder nicht - mach halt eine Umschulung zur Pflegekraft. Pflegeberufe sind schlecht bezahlt und werden in der Regel von Frauen ausgeübt. Wo bleibt hier der angebrachte Lohn für die Leistung, sich um andere zu kümmern, während der Rest der Welt immer mehr zu verrohen scheint? Vielleicht wird es wieder einmal Zeit vom Balkon aus eine Runde zu applaudieren als Dank dafür, dass in unterbesetzten Krankenhäusern und Altenheimen Menschen am Leben erhalten werden. Davon kann man sich aber leider auch keine Pommes zum Burger leisten.

Die Arroganz, mit der ein Bundeskanzler behauptet, ein Hamburger sei doch ein ausreichend warmes Essen für ein Kind in seinem Land, ist einfach unglaublich menschenverachtend. Mit derselben Kaltschnäuzigkeit wird dann aber auch gerne vom selben Schlag Mensch über genau diese Familien geurteilt, wenn sie dann beim Mäci essen. Nach dem Motto: “Dafür geben die also ihr Arbeitslosengeld aus. Eh klar, kein Wunder, dass die Kinder so dick sind.”

Vogelfrei

Wie ist es bei Freiberuflern egal in welcher Branche? Kunstschaffende, freie Journalisten und andere, deren Job momentan noch von Künstlicher Intelligenz gestohlen und bald vielleicht übernommen wird? Werden diese Leute ihrer erbrachten Leistung nach bezahlt? Von nicht vorhandener Sicherheit, Versicherung und Wertschätzung ganz zu schweigen. Wie viele von ihnen hätten lieber einen normalen Vollzeitjob mit durchgängigem Gehalt anstatt sich von Monat zu Monat irgendwie über Wasser halten zu müssen? Wie viele müssen sich mit einer freiberuflichen Anstellung zufrieden geben, die alle paar Monate vielleicht Geld abwirft? Aus persönlicher Erfahrung kann ich sagen, die Situation ist alles andere als angenehm und ich mache mir Sorgen um meine Zukunft. 

Vielleicht liegt es ja doch nicht am Unwillen einzelner “anständig” arbeiten zu gehen. Vielleicht liegt hier ein systemisches Problem vor, in dem Arbeitskräfte nicht genug respektiert werden, so dass ihnen die Möglichkeit gegeben wird, von ihrem Traumjob auch leben zu können. Vielmehr wird hier von Randgruppen am Arbeitsmarkt erwartet, dass sie sich mit Bröseln zufriedengeben und dankbar sein sollen für das Wenige was ihnen angeboten wird: Teilzeitjob; geringfügige Arbeit; unbezahlte Praktika; freie Mitarbeit; Natürlich gibt es auch hier wieder Menschen, die sich aus freien Stücken für eine dieser Arten von Anstellung entscheiden, aber genügend andere werden in eine unsichere Jobsituation gebracht und der jeweilige Arbeitgeber erwartet sich Dankbarkeit dafür, dass man überhaupt zur Arbeit kommen darf, während Außenstehende darüber urteilen, dass man zu faul für eine "normale" Arbeit ist.

Es ist immer leicht über eine abstrakte, unsichtbare Gruppe zu urteilen, die in der gesellschaftlichen Hackordnung unter einem steht. Menschen, die einen fixen Job haben, neigen oft dazu, über Arbeitslose schlecht und in Klischees zu denken, von Chefitäten ganz zu schweigen. Wer seine Kinder samt Vollzeitjob gut groß bekommen hat, urteilt vielleicht vorschnell über junge Mütter, die es nur schaffen oder wollen, Teilzeit zu arbeiten. Pensionisten, die auf einen langen Berufsweg zurückblicken, haben oft kein Verständnis für die jüngere Generation, die eine Viertagewoche für sinnvoll hält. Was uns aber alle einen sollte, ist der Grundgedanke, dass niemand unwichtig oder überflüssig ist, auch nicht sozial schwächer Gestellte und Menschen, die auf den ersten Blick nicht dazugehören oder die einen anderen Lebensentwurf als man selbst haben. In dieser, unserer Konsum- und Kapitalismus Gesellschaft können wir nicht ohne einander überleben. Wenn die Menschlichkeit vollends auf der Strecke bleibt und jeder nur nach oben buckelt und nach unten tritt, was für ein Leben bleibt uns dann noch zum Leben? 

Anmerkung: Meine Perspektive auf dieses Thema ist offensichtlich davon geprägt, dass ich Frau und Mutter bin. Aus der männlichen Sicht könnte ich nicht authentisch schreiben, deshalb habe ich es auch gar nicht erst versucht. Das soll aber keine Wertung von Männern sein, die es schwer haben mit der Jobsuche. Auch soll dieser Text kein "Männerbashing" darstellen. Mir wurde bei Bewerbungsprozessen von mehr Frauen als Männern zu verstehen gegeben, dass ich als Mutter unerwünscht bin.

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